Heliographie-Projekt 1827–2027

Przemek Zajfert, April 2025

Joseph Nicéphore Niépces Heliographie von 1827 gilt als das erste technische Bild der Geschichte: Eine mit Asphaltemulsion beschichtete Zinnplatte, tagelang dem Sonnenlicht in einer Camera Obscura ausgesetzt, zeichnete mechanisch den Blick aus seinem Arbeitszimmerfenster auf. Kein menschlicher Strich, keine Interpretation – das Licht selbst schrieb die Welt auf die Platte.

Zweihundert Jahre später steht die Fotografie vor ihrer Auflösung: KI-generierte Bilder und digitale Simulationen lösen die ursprüngliche Bindung an das Reale auf. In einer Welt, in der jedes Bild potenziell synthetisch sein könnte, werden paradoxerweise die automatisierten Street View-Aufnahmen zu den letzten authentischen Fotografien. Nicht weil sie künstlerisch intendiert wären, sondern weil sie mit völlig anderen Absichten entstanden – zur Kartierung, zur Überwachung. Ihre Intentionslosigkeit wird zu ihrem Wahrheitsversprechen.

Algorithmus-gesteuerte Kameras auf Google-Fahrzeugen erfassen systematisch die Welt, Straße für Straße, ohne Pause, ohne Auswahl, ohne bewussten Blick. Sie produzieren das Studium in Reinform – Roland Barthes‘ Begriff für die rein informative, dokumentarische Ebene des fotografischen Bildes. Systematisch, emotionslos, vollständig dokumentieren sie unsere Alltagswelt.

Doch hier zeigt sich die entscheidende Differenz zu KI-erzeugten Bildern: Das Punctum – jenes Detail, das sticht und den Betrachter trifft – kann nur dort entstehen, wo der Gedanke mitschwingt: Das war. Simulierte Bilder können informieren, nicht aber verletzen. Sie tragen keine Spur der Zeit, keine Narbe des Realen.

Erst durch meinen Eingriff – die Auswahl, den Ausschnitt, die Isolierung einzelner Momente aus diesem maschinellen Archiv – entsteht das spezifisch menschliche Punctum. Eine neue Arbeitsteilung: Die Maschine übernimmt die vollständige Weltdokumentation, ich werde zum Archivar des Realen – zum Entdecker der Momente der Berührung in den Datenmassen einer verschwindenden Welt.

Diese ausgewählten digitalen Fragmente bringe ich mit der Technik der Heliographie zurück in die materielle Welt. Die Rückübersetzung ins Physische ist mehr als nostalgische Geste – sie wird zur Versiegelung der letzten fotografischen Evidenz. Nur in materieller Form, ausgesetzt dem Altern und der Zeit, können diese maschinell erzeugten, aber menschlich entdeckten Bilder ihre paradoxe Kraft entfalten: als authentische Fossilien einer Welt, die zwischen totaler Überwachung und völliger Blindheit oszilliert.

So sammelt mein Heliographie Project die letzten wahren Fotografien in einer Welt nach der Fotografie – Spuren einer Realität, bevor sie vollständig in der Simulation verschwindet.