Heliographie – Verfahren

von Joseph Nicéphore Niépce, 1822 bis 1826

Niépce suchte ursprünglich nach einem Verfahren, das ihm ermöglichen würde, Kopien von Kupferdrucken herzustellen. Dies gelang ihm im Jahr 1822 mit einem Kupferstich des Kardinals Georges d’Amboise. Niépce beschichtete eine polierte Zinnplatte mit einem Firnis aus Syrischem Asphalt, der in Lavendelöl aufgelöst wurde. Auf diese so beschichtete Zinnplatte legte er den Kupferdruck (der zuvor mit einem Firnis transparent gemacht wurde). Die Platte belichtete er mittels Sonnenlicht über mehrere Stunden.

Dieses Bild gilt jedoch nicht als das erste Foto, da es nicht mit einer Camera obscura aufgenommen wurde.
Nach weiteren aufwendigen Experimenten gelang es ihm dann im Frühherbst 1826 in Saint-Loup-de-Varennes, die erste lichtbeständige Fotografie der Welt aufzunehmen: einen Blick aus dem Fenster seines Arbeitszimmers im Gutshof Le Gras mit einer Belichtungszeit von mehreren Tagen und einem Format von 16,5 × 21 cm.

In seiner 1829 verfassten “Notice sur l’héliographie” beschreibt Niépce diese beiden Verfahren zur Erzeugung fotografischer Bilder. Beide Bildverfahren wurden unter dem Begriff  “Heliographie” zusammengefasst, was übersetzt “Zeichnen mit der Sonne” bedeutet

Przemek Zajfert in seinem Atelier in Stuttgarter Westen

“In einem Spätsommertag im Jahr 1826, nach mehrtätiger Belichtung hielt Joseph Nicéphore Niépce die älteste uns heute erhaltene Fotografie (von ihm selbst Heliographie genannt) in den Händen. Rein Virtuelles, bis dato Un(be-)greif-bares wurde auf einer mit lichtempfindlichem Asphaltlack beschichteten Zinnplatte real, verewigt, transportfähig.”

aus dem Buch “Camera Obscura Tübingen”, 2004 von Przemek Zajfert, Carsten Kauth und Wolfdietrich Müller mit einem Vorwort von Walter Jens

Oben:
View of Mihaelas Garden, aufgenommen in der Zeit vom 13. bis 22. Juni 2023.
Heliografie hergestellt mit einer Camera Obscura nach dem Verfahren von Joseph Nicéphore Niépce aus dem Jahr 1826. Die Belichtungszeit betrug 8 sonnige Tage.

Unten:
Kontaktverfahren von Joseph Nicéphore Niépce aus dem Jahr 1822. Die Belichtungszeit betrug etwa 1 sonniger Tag.

Auf den Spuren von Joseph Nicéphore Niépce, dem Erfinder der Photographie

mit Martin Hein,  März 2015

Joseph Nicéphore Niépce – * 7. März 1765 in Chalon-sur-Saône, Frankreich; † 5. Juli 1833 in Saint-Loup-de-Varennes.

Niépce, der eine Schwester und zwei Brüder hatte, war von 1789 bis 1811 Offizier in der französischen Armee; er verwaltete zwischen 1795 und 1801 den Distrikt Nizza, widmete sich dann mit seinem Bruder Claude Niepce in seiner Vaterstadt mechanischen und chemischen Arbeiten und ab 1815 der Lithografie. Ab dem Jahr 1816 beschäftigte sich Niépce mit der Herstellung von Bildern mit einer Camera Obscura.

“Die durch die Camera obscura aufgenommenen Bilder mit den Abstufungen der Töne von Schwarz bis Weiß durch die Wirkung des Lichtes von selbst zu reproduzieren”  aus dem Notice sur l’Héliographie, 1829

Für seine ersten Versuche positionierte er auf der Rückseite einer Camera obscura Blätter aus Papier, die mit Silbersalzen beschichtet waren. Es war bekannt, dass Silbersalze (Silberchlorid) durch Lichteinwirkung dunkel werden. Im Mai 1816 produzierte er das erste Bild der Natur: ein Blick aus dem Fenster. Es war ein Negativ und das Bild war nicht haltbar. Nach dem Öffnen der Camera ging der Belichtungsprozess weiter, das Bild schwärzte sich zunehmend und verschwand irgendwann vollständig. Niépce nannte dieses Verfahren „Retina“. Auf diesem Verfahren basiert die Aufnahmetechnik aus dem Projekt „THE 7th DAY“. Enttäuscht, dass es keine Möglichkeit gab, diese erste Fotografie haltbar zu machen, widmete sich Niépce anderen Verfahren.

Im März 1817, konzentrierte Niépce seine Aufmerksamkeit auf das Guajakharz. Dieses gelbe Harz, dem Tageslicht ausgesetzt, verändert seine Farbe ins Grüne. In Alkohol ist es zudem schwer löslich. Damit konnte man also im Prinzip dauerhafte Fotografien herstellen. Diese Eigenschaft des Harzes wird allerdings nur durch UV Licht hervorgerufen. Die Glaslinsen seiner Camera Obscura filterten dieses Licht aber weitgehend aus und das Guajakharz veränderte seine Eigenschaften in der Camera nicht. Kontaktkopien in direktem Sonnenlicht waren machbar, aber leider keine Fotografien mit seiner Camera Obscura.

Enttäuscht wendete sich Niépce anderen Substanzen zu, besonders dem Naturasphalt, auch bekannt als „Bitume de Judée“. In Frankreich wurde das zähe, schwarzbraune Mineral damals auch in der Mine du Parc, einer Grube bei Seyssel, ungefähr 100 Kilometer von seinem Landsitz entfernt, gewonnen. Fein gepulverter Naturasphalt wird in Lavendelöl aufgelöst und auf Metallplatten (Kupfer, Weißblech), Stein oder Glas ganz dünn aufgetragen. Nach dem Trocknen auf einer heißen Eisenplatte kann man das beschichtete Material belichten. Die Belichtungszeit für Kontaktabzüge beträgt mit Sonnenlicht mehrere Stunden. In einer Camera Obscura dauert die Belichtung mehrere Tage. Je nach Lichtmenge härtet der Asphalt unterschiedlich stark aus. Nach dem Belichten kann man die weicher gebliebenen Stellen (an die weniger Licht gelangte) mit einem Gemisch aus Lavendelöl und Weissöl auswaschen. In seinen “Notice sur l’Héliographie” beschreibt er sein Verfahren ausführlich.

Mehr Informationen finden Sie unter: Auf den Spuren von Joseph Nicéphore Niépce

Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras (französischer Titel La cour du domaine du Gras „Der Hof des Gutshofes von Le Gras“ oder Point de vue du Gras „Ansicht von Le Gras“) ist die erste erfolgreich aufgenommene und erhaltene Fotografie der Welt. Sie wurde 1826 von Joseph Nicéphore Niépce im französischen Saint-Loup-de Varennes hergestellt. 

Literatur

  • Helmut Gernsheim, «Vorstufen und frühe Entwicklungen», in Helmut Gernsheim (Hg.), Geschichte der Photographie. Die ersten hundert Jahre (Frankfurt a. M.: Prophyläen Verlag 1983), 11–41.

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